



Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen...
Kilometerstand: 21.665 - 22.145
Khabarowsk
Wir sind nun also ganz im Osten von Russland und damit auch unseres Kontinents. 100 km nach Osten gehen noch. Und die fahren wir morgen gekoppelt mit 800 nach Sueden.
Sinus, der Vorsitzende des Motorradclubs von Vladiwostok, den Iron Tigers Vladiwostok hat Tom auf die Frage per Email, wie wir die Iron Tigers finden, geantwortet: Ihr braucht uns nicht zu finden, wir finden Euch !!
In Khabarowsk angekommen, haben wir auch genau das erlebt.Wir waren grade mal auf den ersten 500 m in die Stadt und haben an einem Supermarkt gehalten um uns was zu trinken zu holen, da wurden wir bereits von den Lynxes of Amur, Khabarowsk (den Luxen des Amur, das ist der Fluss, der hier im Osten Russlands an Khabarowsk vorbei fliesst.) aufgegabelt und so ging alles seinen Lauf.
Die erzaehlten uns, dass unsere 3 Australier erst vor ein paar Tagen hier waren.Die Reisewelt zeigt uns mal wieder, wie klein sie ist.
Also stellten sie die uebliche Frage an uns: Was wollt Ihr machen?
Wir zaehlten auf: duschen, essen, Internet, und was zum schlafen.
OK, wird gemacht ihre Antwort. Ist das schoen, schon wieder gut aufgenommen zu sein. Wir brauchen hier kein Hotel, wir schlafen im Clubheim beim Clubpraesidenten daheim. Ein alter Motorrad-haudegen mit ca.65. Netter Kerl.
Dann wurde fuer uns ein Kumpel mit Taxi gerufen, der uns zu einem der Jungs heim zum Duschen brachte. Dort sassen wir dann noch etwas, um zu reden bis dann ein weiteres Mitglied mit einer Wehrmachts-BMW von 1942 aufkreuzte nachdem er gehoert hatte, dass Deutsche in der Stadt sind. Ein echt irrer aber sehr freundlicher Typ, der totale Fan der deutschen Wehrmacht mit einer Sammlung daheim und taeuschend echten Fotos von sich und seinen Kumpels mit deutschen Weltkriegsuniformen. Die BMW ist perfekt restauriert in Tarnfarbe und wir sind begeistert. Duerfen sogar mitfahren! Ein tolles Gefuehl auf Geschichte zu fahren, aber holprich. So, nun ging es weiter, wir Alle fuhren mit den Motorraedern durch die Stadt, erstmal zum essen und dann weiter in den Stadtpark, wo eine Band spielte und der Club immer zum prominieren hin faehrt.
Die Band war atemberaubend gut und wir lauschten voller Genuss den westlichen Rockballaden der Scorpions und Anderer.
Die Band wollte einpacken und ich habe mir dann noch Hotel California von den Eagles gewuenscht.Der Veranstalter liess eine Zugabe nicht zu und so wurden wir auf heute vertroestet, wo sie dann extra fuer uns dieses Lied spielen.
Zum heimgehen hatten wir noch keine Lust und durch Zufall kamen wir mit dem Keyboarder ins Gespraech, dessen Mutter aus Deutschland stammt und er deshalb wirklich gut deutsch sprach. Er lud uns ein ins gegenueberliegende Festzelt um noch ein paar Lieder zu singen. Dort ar bereits eine lustige Truppe von russischen Vollblutmusikern am musizieren. Die Gitarre wurde wie die Wodkaflaschen im Kreis herumgereicht und wir durften den tiefen musikalischen Geist Russlands kennenlernen. Ein echter Genuss.Auch der Keyboarder war ein begnadeter Gittarist und so spielte er fuer uns auch da eine oder andere deutsche Lied, das er noch von seiner Mutter kannte. Der Gittarist der Band hat uns dann nach Hause gefahren und so ging gegen 03:30 Uhr ein herrlicher Abend zu Ende.
Kilometerstand: 19.895 - 21.665
Die sibirische Staubhoelle
Nach Chita wurden wir erst noch 200 km verschont und die Teerstrasse endete noch nicht aber dann gings los, die Strasse wurde holpriger, dann loechrig und dann war nur noch Schotter und Staub. Alles was wir in diesen Tagen sahen, waren die Staubwolken des Vordermannes.Wir sahen aus...weiss vom Staub, das Visier mussten wir oft zwischendurch putzen, da wir nichts mehr sahen.
Dazu kam, dass die dauernden Vibrationen, Schlaege und Loecher unsere Kisten so durchschuettelten, dass man bei jedem Kilometer Angst haben musste, dass wir nur noch die Lenker heim bringen. Wobei das bei meiner Honda zwischendurch auch so aussah. Bei Tempo 90 in einer der Spurrillen im Tiefschotter hoerte ich einen Schlag und stellte fest, dass mir meine in Kirgistan erneut befestigte Kennzeichenhalterung um die Ohren geflogen war mitsamt Ruecklicht. Das Kennzeichen selbst war auch nicht mehr zu finden und muss ich wohl schon frueher verabschiedet haben. Naja, dann war wenigstens mein Heck etwas leichter, wer braucht hier schon ein Ruecklicht oder Kennzeichen...:-) Bei der Gelegenheit wurde auch gleich eine Sicherung durchgeblasen, sodass die Blinker auch nicht mehr blinkten....Beim Zusammenflicken des uebrig gebliebenen Rests des Heckbaus stellte ich dann gleich fest, dass die Aufhaengung von meinem Vorbau mit Lampenmaske auch gebrochen war und alles nur noch an der Verkleidung hing. Na toll, meine Honda loest sich unter meinem Hintern auf.
Naja, solang ich noch den Lenker, 2 Raeder und den Motor hab, ist ja alles ok..:-)
Wir fuhren also ab dem Tag wieder langsamer und materialschonender.
Unsere Abende waren immer sehr schoen, da wir nun in Sibirien endlich Holz fuer Lagerfeuer haben und die Temperaturen abends passen auch ganz gut dazu. Sibirien eben.Am Tag hat es hier jedoch auch um die 30 Grad. Wir haben nun seit ueber 3 Monaten bis auf ein paar Ausnahmen nur Sonne und sind bereits so verwoehnt, dass wir schon garnicht mehr an Regen denken, bis wir mal ne Wolke sehen.
Aus Vladivostok kommt uns auf den Staubstrassen taeglich eine Armada an Neuwagen entgegen, die von Fahrern einzeln oder im Doppelpack nach Westrussland zu den Kaeufern gefahren werden. Alles Neuwagen aus Japan, Korea und China. Da sollte der deutsche Markt mal ganz schnell einsteigen. Die Russen haben nun Geld, das ausgegeben werden will und riesigen Nachholbedarf an Produkten, die das Leben angenehmer machen.
Autotransporter gibt es hier anscheinend nicht genug (Spediteure, Aufgewacht, hier winken Gross-Auftraege !!) und so werden die Neuwagen, die nach den 2000 km auf der Strasse gerade noch als Gebrauchtwagen durchgehen einzeln gefahren. Um noch etwas Transportkosten zu sparen, werden die PKWs zum Teil mit einer Art Deichsel zusammen gehaengt und so zieht jeder Zweite noch einen hinter sich her. Unfassbar.der Unterschied zum Reisen in der Mongolei ist, dass wir uns hier mit frischen Zutaten fuer die abendlichen Essen eindecken koennen und die so immer ein Grund sind, um sich auf den Abend zu freuen.
Am 103. Tag hatten wir es dann endlich geschafft, der erste Teer war zu sehen, der jedoch immer wieder trotzdem von Schotterstuecken unterbrochen wurde.War das wieder ein entspanntes Fahren.
Nun sind wir in Chabarowsk 100 km vor der Ostkueste angekommen. Von hier aus sind es noch 800 km richtung Sueden bis Vladivostok und ans Japanische Meer. Wir haben es fast geschafft.
Kilometerstand: 19.245 - 19.895
Wir erlebten 2 sehr schoene und erholsame Fahrtage in Sibirien. Ein wunderschoenes Land, eine Mischung aus Oesterreich, Schwarzwald und Norwegen. Da fuer mich ja Norwegen eh eines der schoensten Laender der Welt ist, koennt Ihr Euch vorstellen, wie es mir hier gefaellt.
Am 2.Tag waren wir nachmittags in Chita, die Stadt ab der laut den Berichten anderer Reisender die Teerstrasse aufhoeren sollte und 2000 km Piste bis Khabarowsk an der Ostkueste beginnen sollte.
Daher wollten wir uns hier ersteinmal auf diese letzten Pistenkilometer der reise vorbereiten. In Toms Flickzeug war nur noch 1 Flicken uebrig und das konnten wir nicht riskieren.Also Flickzeug kaufen, eine russische Megaphon-simkarte besorgen, was eigentlich ohne russischen Pass garnicht moeglich ist. Ich hab das dann aber durch nettes Auftreten und etwas Gebettel geschafft, dass die eine rausgerueckt haben. Wenn nicht haetten wir einen Russen kaufen muessen, der eine fuer uns holt.Wir waren dann noch kurz im Internet und machten uns nach vielen netten Begegnungen in der Stadt wieder auf den Weg in unsere gewohnte Waldumgebung.Einen Platz zum uebernachten haben wir an einer eiskalten Frischwasserquelle direkt aus dem Berg gefunden. Am Abend haben wir die jedoch garnicht entdeckt, da die hinter ein paar Baeumen versteckt war. Ein alter netter Russe, der morgens vorbeikam, hat sie uns dann extra gezeigt. Feiner Zug von ihm. So konnten wir sogar noch ein paar Klamotten waschen vor dem Losfahren.
Kilometerstand: 18.985 - 19.245
Wir haben es endlich geschafft und duerfen wieder nach Russland.
Ich haette vorher nicht erwartet, dass ich mich mal auf Russland freuen werde, nachdem wir ja vom Westen garnicht so begeistert waren.Aber hier im Osten ist Russland doppelt so schoen und nach der Mongolei konnte es sowieso nicht schlimmer kommen.
Der Grenzuebergang bei Ulaan Ude im Norden von Ulaan Baator ist riesig und sehr frequentiert, was sich auch auf die Vorgehensweisen der Zoellner auswirkt. Alles geht routiniert und zuegig ab.War angenehm und problemlos.Eine russische Zoellnerin hat sogar alles auf englisch mit uns besprochen, was wirklich ungewohnt war.Dann fuehlten wir uns fast zuhause, als wir wieder die vetrauten russischen Holzhaeuschen gesehen haben und die ueblichen Sowjetstrassen.
Nachdem wir uns in der naechsten Stadt eine Bank und ein Cafe gegoennt hatten, konnten wir satt und zufrieden wieder losziehen ueber eine geteerte Nebenstrasse durch Birkenwaelder,Wiesen und Fluesse. Russland in seiner schoensten und urspruenglichsten Form.Herrliches Cruisen und wir waren Beide gut drauf.Tom und ich sind zu echt guten Kumpels zusammengewachsen, bei denen Vieles ohne Worte geht. Wir sind uns eh sehr aehnlich, was immer mal wieder rauskommt und Vieles einfacher macht.
Jeder von uns schafft es meistens, den Anderen an einem Tiefpunkt wieder aufzubauen.
Als wir abends noch beim Tanken in einem Dorf waren, hatten wir 2 ziemlich gegensaetzliche Begegnungen.
Ich war beim tanken und Tom wurde von einem natuerlich besoffenen jungen Russen gefragt wo wir herkommen.dann hat ein Wort das Andere ergeben und nach 2 gegenseitigen Sto-fragen (was soviel wie "was?" bedeutet) hat der junge Deutsche-hasser durchgedreht, wollte Tom mit seinem 50er-roller ueber den Haufen maehen, hat aber nicht mit der Standfestigkeit eines deutschen Feuerwehrmannes gerechnet und wurde in meine Richtung abgelenkt.Da er auch zum Rollerfahren zu bloede war, und nicht mal die 50 ccm im Griff hatte, konnte ich grade noch wegspringen und er ballerte voll auf meine Honda drauf. Tja, die hat natuerlich ueber den Idioten gelacht, sich aber auf die Seite gelegt und der Irre Russe landete nach 2 Rettungs-schlenker-versuchen sehr unsanft mitsamt seinem Roller im Schotter. Ich habe leider die Verletzungen nicht gesehen, weil er es ploetzlich sehr eilig hatte, von uns weg zu kommen, da wir ihm laut lachend zuschauten. Ich hoffe jedenfalls fuer ihn, dass ihn die Verletzungen noch ewig an den Versuch erinnern wird, unsere Reise zu beenden.
Die 2. Begegnung waren die gegensaetzlichen Leute drumrum, mit denen wir uns sehr nett unterhalten hatten und die uns optimistisch auf unsere letzten 2 Monate in Russland blicken liessen.
Im Magazin (Dorfladen) bekam ich von der Verkaeuferin sogar das Kompliment, ich wuerde sehr gut russisch sprechen...:-)
Die Ausfahrt aus Ulaan Baator und der Mongolei
Wir hatten uns also jetzt endlich aufgerafft, loszufahren.
Ueber einige Bewohner des Oasis ist in der Nacht eine Durchfallwelle hereingebrochen und somit konnten dann Kim und Scott doch nicht mit uns starten, sondern mussten noch einen Tag dran haengen.
Tom uns ich hatten wieder Lust aufs fahren und schlaengelten uns durch die Autos raus aus der Stadt.Am Stadtrand auf Teerstrasse dachte ich dann ploetzlich, die Honda faehrt sich so komisch und hab mal ein paar Schlenker gemacht um mehr zu spueren, das war jedoch garkeine gute Idee denn Schlenker mit einem Platten am Vorderrad, wie ich dann bei Tempo 80 feststellen sollte, gehen meist nicht gut aus. Mit viel Koerpereinsatz und Glueck konnte ich einen Sturz abwenden...puuuh, ging mal wieder gut.
Also Schlauch tauschen..na das faengt ja wieder gut an...
Schlauch tauschen waer ja ne gute Idee gewesen aber vor lauter schnell schnell haben wir, d.h. wohl eher ich im Gewuehle wieder den kaputten Schlauch rein gemacht, was wir dann 10 km spaeter festegestellt haben...Tja, Ihr kennt ja Euren Jens...:-)
Als wir dann mal endlich am Fahren waren, wurde die Mongolei deutlich gruener und flacher. Ein voellig anderes Land.Erinnerte uns eher an eine Mischung aus Schwarzwald und Voralpenland. Und es gab, welch Freude, Baeume, was wir ja ueberhaupt nicht mehr gewoehnt waren. Wir hatten wieder mal einen gruenen Schlafplatz und Wasser. Herrlich.
Im Nachhinein musste ich noch sehr viel ueber die Mongolei nachdenken, von der menschlichen aber auch volkswirtschaftlichen Seite, was ein ganz neuer Aspekt der Reise ist, den ich vorher noch nicht bedachte. Durch die Ausbildung zum Betriebswirt, die Tatjana und ich ja grade machen, habe ich in die Volkswirtschaft neue Einblicke und diese im Gegensatz zu Europa unterentwickelten Laender zeigen sehr gut, wie das Alles vor der perfekten Infrastruktur Europas aussieht. Ich ueberleg mir dann immer, was ich wohl als Praesident zuerst anpacken wuerde und aendern wuerde, damit es aufwaerts geht.
Aber wie man ganz gut in der Mongolei sieht, funktioniert ein Land einfach nicht ohne den Willen der Buerger. Das dauert dort noch mindestens 2 Generationen, bis das Land vom Kommunismus auf eine freie Marktwirtschaft umgebaut ist.Die Leute jetzt sind einfach nicht bereit dazu. Und bis dann aus den meisten Mongolen auch noch ein Volk mit zwischenmenschlichen Manieren und Verhaltensregeln geworden ist, das dauert wahrscheinlich noch ein paar Generationen. Wobei ich mir wirklich nicht sicher bin, ob nict in den naechsten Jahren ganz Anderes passiert. In Ulaan Baator hab ich mich persoenlich naemlich wie auf einem Pulverfass gefuehlt, nachdem ja 2 Wochen, bevor wir dort waren, ein Putschversuch gegen die Regierung gescheitert ist. Die verbrannten Regierungsgebaeude haben wir noch gesehen. Und man sieht ja in Georgien wie schnell es gehen kann. Paul war uebrigens zu der Zeit zum Glueck schon in der Tuerkei, denn er fuhr ja durch Georgien nach Hause.
Jedenfalls werden meine Erfahrungen in diesen Entwicklungslaendern mir viel fuer die Ausbildung bringen und auch viel Gespraechsstoff in den Unterricht bringen. Darauf freu ich mich.